
Prof. Dr. Hans Christian Naujoks über die "biologische
Minderwertigkeit" von Intersexen anlässlich einer "Klitorisamputation mit
Stumpfbildung" (1934):
„Gerade in Verfolg unserer neuen großzügigen Bestrebungen weitgehender
Erb- und Rassenpflege“ ist von „eugenische[r] Seite“ aus „die
Fortpflanzung dieses Wesens im Volksinteresse wohl nicht allzu
wünschenswert [...]. In die Vollwertigkeit dieser
Nachkommenschaft müssen doch einige Zweifel gesetzt werden
[...].“
Quelle: Naujoks, "Über echte Zwitterbildung beim
Menschen und ihre Beeinflussung", in: "Zeitschrift für Geburtshülfe und
Gynäkologie" Nr. 109/2, S. 135-161 (hier S. 151, 160)
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Prof. Dr. Hans Christian Naujoks – deutscher
Genitalabschneider mit "lückenloser" Karriere und Wirkung
a) vor 1945
1925 Privatdozent Universität Königsberg
1925 Buchpublikation: "Das Problem der temporären Sterilisierung der
Frau"
1926 Oberarzt Philipps-Universität Marburg
1929 außerordentlicher Professor Philipps-Universität Marburg
1933 Mitglied NSDAP, Mitglied SA, Fördermitglied SS, Mitglied NS-Ärztebund,
Mitglied NS-Dozentenbund, usw.
1933 erste "rassistisch motivierte" (Ethikrat)
kosmetische "Klitorisamputation mit Stumpfbildung"
(Leitsch) an "intersexuellem Menschen" in Marburg, kombiniert mit
experimenteller hormoneller Fertilisierungsbehandlung
1933 Publikation: "Operative und hormonale Therapie bei Hermaphroditismus
verus", in: "Archiv für Gynäkologie" Nr. 1156/1-2, S. 93-99
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3 MB
1934 Publikation: "Über echte Zwitterbildung beim
Menschen und ihre Beeinflussung", in: "Zeitschrift für Geburtshülfe
und Gynäkologie" Nr. 109/2, S. 135-161
>>> PDF (5 MB)
1934 Publikation: "Die Aufgaben des Frauenarztes bei den neuen
bevölkerungspolitischen Bestrebungen", in: Ziel und Weg Nr. 12 (Zeitschrift des
NS-Ärztebundes). "Wir sind als Hüter und Förderer der Volksgesundheit
verpflichtet, die Überschwemmung mit kranken Erbanlagen zu
verhindern."
1934 ordentlicher Professor für Gynäkologie und Geburtshilfe Universität Köln,
Leiter Uni-Frauenklinik
1934 Buchpublikation (zusammen mit Hans Werner Boeminghaus): "Die Technik der
Sterilisierung und Kastration"
1934 Mitarbeiter Rassenpolitisches Amt, Beteiligung an mehr als 1'000
Zwangssterilisationen
1936 Schriftleiter Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie (= die heutige
DGGG)
1939 Herausgeber "Geburtshilfe und Frauenheilkunde" (Publikation der Deutschen
Gesellschaft für Gynäkologie = die heutige DGGG)
Quellen:
• vom Ethikrat zensurierte Kommentare von ETEKAR
Nr. 73 /
Nr. 98 /
Nr. 99 /
Nr. 129
• Ernst Klee: "Deutsche Medizin im 3. Reich. Karrieren vor und nach 1945", S.
282
• Ernst Klee: "Das Personenlexikon zum 3. Reich. Wer war was vor und nach
1945", S. 428-429
• Irene Franken, Daniel Schäfer: "Professionelles Handeln in der Diktatur. Hans
Christian Naujoks und die deutsche Frauenheilkunde während des „Dritten
Reiches“", in: Groß/Karenberg/Kaiser/Antweiler (Hrsg): "Medizingeschichte in
Schlaglichtern Beiträge des „Rheinischen Kreises der
Medizinhistoriker“" PDF
(4 MB)
• Dominik Leitsch: “Die Intersexualität – Diagnostik und Therapie aus
kinderchirurgischer Sicht”, Diss. Köln 1996, S. 47
• Deutscher Ethikrat:
"Stellungnahme zur Pressemitteilung von „zwischengeschlecht.org“ vom
19.07.2011"
b) nach 1945
1945 Ordinarius Philipps-Universität Marburg (1946 wegen seiner politischen
Belastung von den alliierten Militärbehörden entlassen)
1945 Persilschein Nr. 1: "Er hat, wie viele Akademiker, einen hemmenden
Einfluß auf die radikalen Pläne und Wünsche gewisser Parteistellen und
Parteimitglieder ausgeübt" (NS-Pädiater Hans Kleinschmidt)
1946 Persilschein Nr. 2: "Die Kölner Medizinische Fakultät hat im 3. Reich
die alte akademische Tradition vollkommen aufrecht erhalten und nur nach
sachlichen Gesichtspunkten gehandelt" (NS-Pädiater Hans
Kleinschmidt)
1947 Ordinarius Universität Frankfurt a.M.
1951 Präsident Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie (= die heutige DGGG)
1951 von der Bundesärztekammer beauftragt, einen »Leitfaden der
Indikation der Schwangerschaftsunterbrechung« zu verfassen (publiziert
1954), die überarbeitete Neuauflage von 1972 ist bis heute die Grundlage für
Spätabtreibungen bei "AGS/CAH"
1957 Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik
Deutschland
1959 Der Genitalamputierer stirbt, seine "Errungenschaft" lebt
weiter: Bis in die 1980er Jahre werden in allen Kliniken, in denen
Naujoks "wirkte", wehrlose Zwitterkinder genitalamputiert – "modernere"
Genitalverstümmelungen an wehrlosen Kindern mit "auffälligen" Genitalien sind
in ganz Deutschland in Kinderkliniken auch heute noch tägliche Realität, ebenso
Fertilisierungsexperimente
1972 überarbeitete Neuauflage des von Naujoks im Auftrag der Bundesärzekammer
publizierten 'Schwangerschaftsunterbrechungs-Leitfadens' von 1954 (siehe oben):
W. Ahrens (Hrsg.):
"Medizinische Indikation zum therapeutischen
Schwangerschaftsabbruch" – als "absolute
Indikation" ist darin u.a. aufgeführt "Das angeborene
adrenogenitale Syndrom [...] auf Grund [...] der Gefahr intersexueller
Mißbildungen (Virilisierung, Pseudohermaphroditismus)" sowie
weitere "Diagnosen" mit "Gefahr einer intersexuellen Mißbildung des
Fetus".
1996 ehrende Erwähnung von Naujoks historischer "Genitalamputation
mit Stumpfbildung" an einem "Intersexuellen" von 1933 in der
Dissertation von Dominik Leitsch: "Die Intersexualität, Diagnostik und
Therapie aus kinderchirurgischer Sicht" (Universität Köln)
2006 Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) übernimmt
die
AWMF-Leitlinie 043/029 "Störungen der sexuellen Differenzierung" (niedrigste
Evidenzstufe S1), die ungebrochen Genitalverstümmelungen an "gestörten"
Kleinkindern propagiert
2011 zensuriert der Deutsche Ethikrat auf re-traumatisierende
Art und Weise sämtliche Hinweise auf Naujoks Karriere und
Wirkung in sämtlichen Kommentaren von ETEKAR, einer Betroffene der von
Naujoks 1934 in Deutschland eingeführten "rassistischen
Intersex-Behandlungsmethode"
2012 Als erste Uni überhaupt beschließt die Philipps-Universität
Marburg eine
öffentliche Aufarbeitung medizinisch nicht notwendiger Genitaloperationen
an Kindern und Jugendlichen
Quellen:
• vom Ethikrat zensurierte Kommentare von ETEKAR
Nr. 73 /
Nr. 98 /
Nr. 99 /
Nr. 129
• Ernst Klee: "Deutsche Medizin im 3. Reich.
Karrieren vor und nach 1945", S. 282 u. 318f.
• Ernst Klee: "Das Personenlexikon zum 3. Reich. Wer war was vor und nach
1945", S. 428-429
• Nicola Wenge: "Kölner Kliniken in der NS-Zeit – Zur tödlichen Dynamik im
lokalen Gesundheitswesen 1933-1945", in: Monika Frank/Fritz Moll (Hrsg.):
Kölner Krankenhausgeschichten. Festschrift zum 200-jährigen Gründungsjahr
der Kliniken der Stadt Köln, Köln 2006, S. 545-569
PDF (1 MB)
• Aumüller u.a. (Hrsg.): "Die Marburger Medizinische Fakultät im 'Dritten
Reich'", S. 548-552.